100 € erhalten Stipendiat*innen als Forschungskostenpauschale vollkommen unbürokratisch auf ihr Stipendium obendrauf. Ob das eine sinnvolle Idee ist, um Promovierenden bei ihrer Forschung zu unterstützen und ob Geld auch nur ansatzweise reicht, kommt aber ganz auf die Forschung an, wie die folgenden Beispiele zeigen:
- Maria S. führt für ihre Doktorarbeit Interviews, das Thema ist sensibel. Daher fährt sie lieber bis in die abgelegensten Regionen Deutschlands, als dass sie die Interviews kostengünstig online macht – Forschungsethik und Datenqualität sind ihr wichtige Anliegen. Schon alleine der Sprit kostet ein Vielfaches ihrer monatlichen Pauschale, die Energiekrise traf sie besonders hart. Den Verschleiß ihres Autos hat sie aus Angst vor dem Ergebnis nie so genau ausgerechnet. Glücklicherweise hat sie fast überall Verwandte und Freundinnen, die sie beherbergen. Für das Transkribieren mit Unterstützung einer Spracherkennungs-Software gibt Maria S. über 300 € im Laufe ihrer Promotion aus. Hinzu kommen Kosten für Fachbücher, die sie nicht als E-book über ihre Uni-Bib beziehen kann sowie Ausgaben für Tagungen und für Methodenberatungen, die ihre Uni nicht anbietet und die die ideele Förderung nur teilweise abdeckt. Der Besuch von Inlandstagungen wird nämlich nur zur Hälfte bezuschusst, und Übernachtungskosten werden grundsätzlich nicht übernommen, schließlich könne man –laut Promotionsreferat- bei anderen Stips in der Nähe übernachten. Software-Lizenzen erhält sie zwar zu vergünstigten Konditionen, aber dennoch kosten diese auch nicht wenig Geld. Ihr PC stirbt seit Monaten einen langsamen Tod. Hoffentlich so langsam, dass sie ihre Promotion noch darauf beenden kann.
- Erin P. muss für ihre Recherchen an ein Archiv, welches sich einige hundert Kilometer von ihrem Wohnort entfernt befindet und damit einen längeren Aufenthalt mit mehreren Übernachtungen erfordert. Das Archiv bietet für einen längeren Forschungsaufenthalt von einem bis vier Monaten ein Stipendium an (dotiert mit 1000 €) – was für ein Glück, denkt Erin P., so kann sie die Unterkunft, anfallende Forschungs- und Fahrtkosten problemlos zahlen. Falsch gedacht, sagt die Verordnung ihres Promotionsstipendiums: Die Gewährung des Stipendiums ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben, auf andere Weise von öffentlichen Stellen oder von mit öffentlichen Mitteln finanzierten privaten Einrichtungen gleichzeitig gefördert wird. Erin P. kann sich also gar nicht auf ein kürzeres Forschungsstipendium an einem Archiv bewerben, will sie ihr Promotionsstipendium behalten. Dabei ist der Aufenthalt am Archiv für ihre Arbeit obligatorisch. Diesen muss sie nun aus eigener Tasche bezahlen – aber vielleicht hat sie ja Glück und sie kann die anfallenden Kosten mit der Forschungspauschale abdecken. Nur, die ist leider schon für andere Dinge verplant: Lehrbücher, die tägliche Fahrt in das Uni-Büro (zuhause in ihrer engen WG kann sie nicht arbeiten) und sonstigen Bürokram.
- Nach langen und harten Kämpfen ergeht es Lisa H. da schon wesentlich besser. Zusätzlich zu der Bewerbung bei ihrem Begabtenförderwerk hatte Lisa H. sich für eine andere Forschungsförderung beworben, und beide glücklicherweise bekommen. Mit viel und langwierigem hin und her hat sie eine Einigung zwischen den beiden fördernden Organisationen erreichen können. Über die Begabtenförderung übernimmt ihr Förderwerk die Lebenshaltungskosten. Ihre Forschungskosten kann sie über die Drittmittel-Forschungsförderung decken. Dies war nur möglich, da sie sich hartnäckig mit den Richtlinien der Begabtenförderung auseinandersetzte und den entsprechenden Passus fand: Solange die zusätzliche Förderung nicht „für denselben Zweck und den gleichen Zeitraum“ gilt und solange sie durch eine institutionelle Anbindung verwaltet wird, lassen die Förderwerke wohl in einigen Fällen eine weitere Förderung zu. Aber das sind absolute Ausnahmen, für die in den meisten Fällen hart gekämpft werden muss. Lisa H. hatte dafür Unterstützung durch Freunde, und auch ihre institutionelle Anbindung an die Uni half hier, denn die Drittmittel werden über die Unisysteme verwaltet. So konnte sie sich leisten, eine ethnographische Studie mit Besuchen in anderen Städten zu machen, zu Kolloquien anderer Unis zu fahren, zu denen sie eingeladen wurde und hat auch drei Konferenzen besucht. Diese Konferenzen und der Austausch mit anderen Promovierenden waren teuer, aber, das versteht sie jetzt in ihrem dritten Jahr, der wichtigste Einfluss in ihrer Promotion. Es waren diese Momente, die sie weiter motivierten und große Sprünge nach vorne mit sich brachten, in Theorie und Methodik. Vor allem muss sie so nicht ständig zwischen ihrem Leben und ihrer Forschung hin und her priorisieren, und über ihre Forschungskosten hat sie einen genauen Überblick, etwas was für spätere Forschungsarbeit sehr wichtig ist.
Fazit: Super, dass die Forschungskostenpauschale so unbürokratisch ist. Absolut unverständlich ist aber, dass diese in Diskussionen immer wieder als verstecktes Extrageld zum Leben angeführt wird – das Gegenteil ist meistens der Fall. Einige Stipendiat*innen schießen das Doppelte oder Dreifache zu ihrer Forschungskostenpauschale hinzu und verwenden dabei das Geld, das eigentlich für ihren Lebensunterhalt gedacht ist. Statt den Stipendiaten bei ihrer Forschung zu helfen, verschleiert die Pauschale bisweilen die wahre Situation, denn alle Institutionen und betreuenden Personen denken, man sei als Stip* bestens versorgt – auch wenn das Gegenteil eher der Fall ist.