Offener Brief

Stellungnahme zur Erhöhung des Stipendiensatzes für Promovierende

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Stark-Watzinger,
sehr geehrte Mitglieder des Bundestages im Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung,

als freier Zusammenschluss von Promotionsstipendiat*innen verschiedener Begabtenförderungswerke ist es uns ein dringendes Anliegen, zu den angekündigten Änderungen für Nachwuchswissenschaftler*innen in der Begabtenförderung Stellung zu beziehen. Grundsätzlich begrüßen wir die Bemühungen seitens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Begabtenförderungswerke und der Promovierenden-Initiative (PI) um eine Verbesserung der Situation von Promotionsstipendiat*innen. Die Änderungen stehen jedoch in keinem Verhältnis zu den deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten, die uns Promotionsstipendiat*innen aktuell vor existenzielle Herausforderungen stellen!

Aktuell erhalten Stipendiat*innen in der Promotionsförderung der Begabtenförderungswerke 1.350 € zuzüglich einer Forschungskostenpauschale von 100 € im Monat. Davon müssen alle Lebenshaltungskosten inklusive aller Sozialversicherungen sowie sämtliche Forschungskosten bestritten werden. Die letzte Erhöhung aus dem Jahr 2016 liegt knapp sieben Jahre zurück. Damals wurde der Stipendiensatz von 1.150 € auf 1.350 € angehoben.

Das BMBF hat zum Wintersemester 2023/24 eine Erhöhung des Stipendiensatzes um 300 € angekündigt, die gestaffelt über einen Zeitraum von drei Jahren erfolgen soll. Der erste Erhöhungsschritt um 100 € ist in diesem Herbst geplant, gefolgt von zwei weiteren Anhebungen zwölf bzw. 24 Monate später. Da sich viele Stipendiat*innen aufgrund allgemeiner Preissteigerungen und explodierender Mietpreise seit geraumer Zeit in finanziellen Notlagen befinden, ist eine Neufestlegung des Stipendiensatzes dringend geboten. Die diesjährige Erhöhung um 100 € (ca. 7 %) reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten seit 2016 auszugleichen. Auch nach der Anhebung bewegt sich die Stipendienhöhe weiterhin am Rande der Armutsgefährdungsschwelle!

Als äußerst problematisch ist zudem der Umstand zu bewerten, dass die Erhöhung aus dem bisherigen Korridor der Promotionsförderung finanziert werden soll und keine zusätzlichen Mittel durch das BMBF zur Verfügung gestellt werden. Bereits bei der letzten Erhöhung des Stipendiensatzes im Jahr 2016 wurden die Zuwendungen des BMBF an die Begabtenförderwerke nicht erhöht. Vielmehr haben die Förderwerke die Anhebung des Stipendiensatzes durch eine Umverteilung ihrer Mittel finanziert (Reduzierung von Promotionsplätzen, Verringerung des Förderangebots und Begleitprogramms etc.). Für eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Promotionsstipendiat*innen braucht es zusätzliche finanzielle Mittel! Die dringend notwendigen Reformen dürfen weder die Promotionsbedingungen aktueller Stipendiat*innen gegen die Anzahl zukünftiger ausspielen noch zu Lasten der ideellen Förderung gehen.

Besonders schwer wiegt außerdem die Tatsache, dass die Promotionsstipendien weiterhin keiner Sozialversicherungspflicht unterliegen. Auch in Zukunft müssen die Stipendiat*innen von den Stipendiengeldern die Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in der Regel eigenständig entrichten. Zwar besteht die Möglichkeit, bei den Stiftungen einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 100 € pro Monat zu beantragen. Dieser deckt jedoch lediglich gut ein Drittel der realen Beitragshöhe ab, die aktuell im Durchschnitt bei knapp 300 € monatlich liegt. Die verbleibenden zwei Drittel müssen weiterhin vollständig privat finanziert werden, was eine enorme finanzielle Belastung für viele Stipendiat*innen darstellt. Im Zuge der Erhöhung des Stipendiensatzes werden die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Stipendiat*innen nun sogar noch weiter steigen, da sich diese prozentual an der Höhe des Einkommens bemessen. Damit wird die Anhebung des Stipendiensatzes um 100 € in diesem Jahr letztlich nur zu einem realen Mehrbetrag von knapp 80 € für die Stipendiat*innen führen.

Darüber hinaus sind Promotionsstipendiat*innen aufgrund der fehlenden Sozialversicherungspflicht nach wie vor nicht gesetzlich rentenversichert und verfügen über keinerlei Absicherung – weder bei längerer Krankheit oder Arbeitslosigkeit noch in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten. Jegliche Form der Alters- und Arbeitslosenvorsorge muss privat finanziert und organisiert werden. Dieser Umstand stellt ein massives finanzielles Problem für viele Promotionsstipendiat*innen dar und führt regelmäßig – auch bei erfolgreich abgeschlossenen Promotionen – zu äußerst prekären Lebenslagen. Daher müssen die Stipendien mittelfristig in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse überführt werden! Bis dahin müssen Maßnahmen zur akuten sozialen Absicherung der Stipendiat*innen ergriffen werden.

Des Weiteren benötigen Promotionsstipendiat*innen Planungssicherheit bei der Durchführung ihrer Promotionsvorhaben. Aktuell beträgt die Regelförderzeit der Stipendien zwei Jahre, welche maximal zweimal um weitere sechs Monate verlängert werden kann. Die Regelförderzeit der Stipendien soll durch das BMBF nun von zwei auf drei Jahre angehoben werden, mit der Option einer einmaligen Verlängerung um sechs Monate. Ganz grundsätzlich entsprechen diese drei bzw. 3,5 Jahre nicht der realen Dauer einer Promotion in Deutschland, die im Durchschnitt fast sechs Jahre beträgt. Entsprechend den Empfehlungen verschiedener Wissenschaftsinstitutionen – unter anderem des Wissenschaftsrates – muss die Laufzeit der Promotionsstipendien auf drei Jahre angehoben werden, mit der Option einer einjährigen Verlängerung!

Akuter Handlungsbedarf ist jedoch nicht nur bezüglich der allgemeinen Laufzeit der Stipendien, sondern insbesondere auch in Bezug auf die vom BMBF vorgesehene Verlängerung geboten. Die Nebenbestimmungen zur konkreten Ausgestaltung der Änderungen liegen Mitte September und damit nur wenige Tage vor Beginn des neuen Berechnungszeitraums noch nicht vor (Stand 13.09.). Die Ankündigungen der verschiedenen Förderwerke lassen jedoch vermuten, dass die sechsmonatige Verlängerung lediglich für jene Stipendiat*innen verpflichtend festgelegt ist, die ab Oktober 2023 in die Promotionsförderung aufgenommen werden. Für aktuelle Promotionsstipendiat*innen scheint es hingegen keine einheitliche Regelung zu geben. So haben einige Förderwerke die Verlängerung all ihrer Promotionsstipendiat*innen bereits angekündigt, andere werden nur die Laufzeit künftiger Stipendien verlängern. Diese massive Ungleichbehandlung ist nicht akzeptabel! Zum einem, da das Problem der zu kurzen Förderdauer alle Stipendiat*innen gleichermaßen betrifft. Zum anderen, da die daraus resultierenden unterschiedlichen Laufzeiten der Stipendien im Widerspruch zu den Grundsätzen der Begabtenförderung stehen. Demnach sind die Förderwerke an Richtlinien vonseiten des BMBF gebunden, u.a. was die Förderhöhe und maximale Förderdauer angeht. Damit gelten für alle Promotionsstipendiat*innen unabhängig vom jeweiligen Förderwerk dieselben Rahmenbedingungen. Im Sinne der dringend gebotenen Chancengleichheit müssen deshalb auch die Laufzeiten aller Promotionsstipendien – unabhängig vom jeweiligen Förderwerk – durch einheitliche Regelungen vonseiten des BMBF verlängert werden!

Angesichts der dringenden Gefahr der weiteren Prekarisierung von Promotionsstipendiat*innen fordern wir deshalb:

  • die sofortige und vollumfängliche Erhöhung des Stipendiensatzes um die geplanten 300 € pro Monat noch in diesem Herbst, finanziert durch die Bereitstellung zusätzlicher Mittel vonseiten des BMBF,
  • die Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in vollem Umfang für alle Stipendiat*innen, welche nicht anderweitig gesetzlich versichert sind,
  • die Anrechnung der Förderzeit der Promotion in der gesetzlichen Rentenversicherung, unabhängig von absolvierten Schul-, Studien- und Ausbildungszeiten, die ebenfalls vollumfänglich angerechnet werden müssen
  • sowie die Verlängerung der Stipendien aller Stipendiat*innen, die sich aktuell in der Promotionsförderung der Begabtenförderung befinden, ebenfalls finanziert durch zusätzliche Mittel des BMBF!

Die Forschungskostenpauschale in Höhe von 100 € bleibt von den Forderungen zunächst unberührt. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Inflation auch auf die Forschungskosten auswirkt und der gesamte Wissenschaftsbetrieb von massiven Kürzungen betroffen ist, muss die Forschungskostenpauschale im nächsten Jahr einer gründlichen Prüfung unterzogen werden.

Zudem muss die Höhe des Stipendiensatzes für Promotionsstipendiat*innen vonseiten des BMBF selbstständig alle drei Jahre überprüftund abhängig von Inflation, Mietpreisindex, Teuerung etc. entsprechend angepasst werden.

Die Förderung von Promovierenden ist eine Investition in die Zukunft der Wissenschafts- und Forschungslandschaft Deutschland und daher von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Eine angemessene finanzielle Unterstützung ist essentiell, um die Qualität der Forschungsvorhaben sicherzustellen und die Attraktivität des Wissenschaftsstandorts Deutschland auch im internationalen Vergleich zu erhalten.

Gerne treten wir mit Ihnen in einen persönlichen Austausch zur Situation der Promotionsstipendiat*innen und unseren damit verbundenen Forderungen, die in den ergänzenden Darstellungen näher erläutert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Für das Netzwerk Stipendienerhöhung
Luisa Klatte
Anne Schlüter
Charlotte Rathjen
Dagmar Wicklow
Cecilie Hilmer
Andreas Hackl
Annika Stendebach
Benjamin Schindler 
Hannah Schild
Dani Haudenschild

Erstunterzeichnende Promotionsstipendiat*innen

Aaron Sabellek
Victoria Jankowicz
Thies Niemeier
Jana Kavermann
Adrian Weiß
Leon Antonio Heim
Tarek Shukrallah
Lucas Joecks
Mia Feldmann
Laura Hartmann
Alicia Gorny
Julia Nina Baumann
Antonia Weber
Timo Stieglitz
Felix Timmer
Julia Shirley
Simon Weiser
Sheila Ragunathan
Daniele Toro
Lena Jur
Franziska Heinz
Markus Ciesielski
Jonathan Haid
Janina Harms
Friederike Fuß
Felix Krawczyk
Marina Fischer
Till Goßmann
Elisabeth Fessler
Leonie Benker
Lukas Doil
Jonas Jung
Laura Haßler
Imeh Ituen
Cäcilia Wosnitzka
Constanze Stutz
Elke Sieber
Max Münßinger
Ivo Wullenweber
Pia Knostmann
Pirmin Lang
Judith Schreier
Lisa Heidelmeier
Ruth Quante
Lucia Bruns
Fabian Fritz
Fabian Präger
Truc Nguyen
Alicia Schlender
Olga Isaeva
Niklas Döbbeling-Hildebrandt
Dominik Intelmann
Moritz Gartiser
Rebekka Blum
Jakob Mühöe
Laura Mues
Kristina Gunne
Hannah Klug
Julian Schellong
Marieluise Labry
Niklas Lämmel
Danae Christodoulou
Sophie v. Redecker
Stefanie Spiegler

Clara Rosa Schwarz
Frederik Friedlhuber
Laura Dittmar
Eleonra Roldán Mendívil
Alisha Edwards
Justus Grebe
Vanessa Dombrowski
Benet Lehmann
Henning Tauche
Friederike Hechler
Lukas Mengelkamp
Lukas Rosenberg
Alexandra Bandl
Paula L. Schuster
Sascha-Christopher Geschke
Lucia S. Layritz
Nathan Weis
Mirjam Gräbner
Niklas Steinkamp
Svenja Stever
Leonhard Riep
Philipp Urban
Anneke Pogarell
Adele*Mike Dittrich Frydetzki
Anton Schmidt
Aline Steger
Malte Suhr
Anja Degner
Christian Groves
Christina Haritos
Siavash Valizadeh
Kathrin Schroth
Michaela Hausdorf
Josefine Hintz
Friederike Falk
Mario Futh
Malika Gottstein
Svea Hammerle
Valentin Ihßen
Klaas Miersch
Stefan Vennmann
Kathrin Meißner
Sebastian Mönnich
Julia C. Cremer
Thorben Pieper
Hans-Heiner Holtappels
Nadine Jenke
Christina Häberle
Heindriken Dahlmann
Stephanie Freide
Hannah-Maria Eberle
Jonathan Berger
Aaron Bruckmiller
Hans-Georg Ripken
Kassandra Hammel
Vera Huwe
Daniel R. Bonenkamp
Carmen Giovanazzi
Katharina Kluge
Frank Kell
Juliane Röleke
Fabian Pindus
Tim Völzer
Frieder Tschesche



Ergänzende Darstellungen zur Situation von Promotionsstipendiat*innen

Notwendige Erhöhung
Die geforderten 300 € setzen sich wie folgt zusammen: In der Antwort auf eine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu den Stipendien der Begabtenförderungswerke gab die Bundesregierung einen Anstieg der Lebenshaltungskosten gemessen am amtlichen Verbrauchspreisindex zwischen 2016 und 2022 um 16 Prozent an.1 Demnach müssten die Promotionsstipendien umgehend um diesen Prozentsatz – also um 216 € – angehoben werden. Darin sind jedoch weder die sich bereits abzeichnenden Preissteigerungen aus diesem Jahr noch zu erwartende zukünftige Preissteigerungen enthalten. Ferner muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass jede Anhebung des Stipendiensatzes auch eine Erhöhung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Stipendiat*innen nach sich zieht, was den real zur Verfügung stehenden Mehrbetrag in jedem Fall deutlich – um circa 20 Prozent – reduziert.2 Deshalb ist eine sofortige Erhöhung des Stipendiensatzes um mindestens 300 € notwendig.

Armutsgefährdung
In Deutschland galten 2022 Alleinlebende mit einem monatlichen Netto-Einkommen von 1.250 € als armutsgefährdet.3 Aktuell erhalten Promotionsstipendiat*innen ein monatliches Grundstipendium von 1.350 € (exkl. Forschungskostenpauschale). Davon gehen in der Regel die Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab, die bei durchschnittlich 272,70 € pro Monat liegen.4 Diese Beiträge werden von den Förderwerken zwar mit 100 € im Monat bezuschusst, dennoch liegt der den Promotionsstipendiat*innen real zur Verfügung stehende Nettobetrag mit 1.177,30 € aktuell deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle von 2022.
Wird der Stipendiensatz im Oktober um 100 € erhöht, steigen die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung auf durchschnittlich 292,90 € an, sodass Promotionsstipendiat*innen ab Herbst über einen Nettobetrag in Höhe von 1.257,10 € pro Monat verfügen. Damit bewegt sich die Stipendienhöhe weiterhin am Rande der Armutsgefährdungsschwelle von 2022. Es kann angenommen werden, dass die Armutsgefährdungsschwelle im Jahr 2023 bereits gestiegen ist und auch in Zukunft weiter steigen wird. Ferner ist darauf zu verweisen, dass die meisten Promotionsstipendiat*innen aufgrund der notwendigen universitären Anbindung in größeren Städten leben, in denen die Armutsgefährdungsschwelle schon jetzt deutlich höher liegt als in Gesamtdeutschland.5 Auch nach der geplanten Erhöhung des Stipendiensatzes ab Oktober sind somit weiterhin viele Promotionsstipendiat*innen akut von Armut bedroht.

Sozialversicherungspflicht
Eine entscheidende Prekarisierung stellt die Tatsache dar, dass es sich bei dem Stipendium um kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Die Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung müssen entrichtet sowie Altersvorsorge, Schutz vor längerer Krankheit oder Arbeitslosigkeit individuell organisiert und finanziert werden. Diese Zustände sind auf Dauer nicht haltbar, weshalb die den Promotionsstipendien zugrunde liegende Struktur mittelfristig verändert und in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis umgewandelt werden muss. Um der weiteren Prekarisierung von Promotionsstipendiat*innen entgegenzuwirken, müssen derweil Maßnahmen zur akuten sozialen Absicherung ergriffen werden. Dies betrifft zum einen die vollständige Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für alle Stipendiat*innen, welche nicht anderweitig gesetzlich versichert sind. Zum anderen ist es dringend erforderlich, dass die Förderzeit der Promotion in der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet wird – und das unabhängig von absolvierten Schul-, Studien- und Ausbildungszeiten, die ebenfalls vollumfänglich angerechnet werden müssen.

Studienförderung und BAföG
Die Stipendiensätze der Begabtenförderungswerke für das Bachelor- und Masterstudium wurden seit 2017 zweimal erhöht, und zwar 2019 und 2022, als die Bedarfssätze des BAföG um 5 bzw. 5,75 Prozent angehoben wurden. Die Promotionsstipendien blieben davon unberührt. Die geplante Erhöhung des Stipendiensatzes für Promotionsstipendiat*innen um 7,4 Prozent ab Oktober 2023 bleibt deutlich hinter diesen Erhöhungen zurück.

Stipendiendauer
Ein weiteres großes Hindernis im Promotionsverlauf stellt die Förderzeit der Stipendien von aktuell 2+1 Jahren dar. Diese soll nun ab Herbst auf 3+0,5 Jahre angehoben werden. Die damit angenommene Promotionsdauer von maximal dreieinhalb Jahren entspricht jedoch weiterhin nicht annähernd der tatsächlichen Dauer einer Promotion. Diese beträgt in Deutschland knapp sechs Jahre.6 Vereinzelt wurde in der Wissenschaft darauf reagiert. So beträgt beispielsweise die Laufzeit bei einer von der DFG finanzierten Promotion, wie vom Wissenschaftsrat empfohlen, immerhin 3+1 Jahre.7 Dies muss auch bei den Promotionsstipendien der Begabtenförderungswerke gängige Praxis werden. Da die Problematik der zu kurzen Laufzeiten alle Stipendiatinnen gleichermaßen betrifft, muss sichergestellt sein, dass jegliche Verlängerungen auch für sich bereits in der Förderung befindende Stipendiatinnen gelten und es diesbezüglich keine unterschiedlichen Regelungen unter den Förderwerken gibt.

Chancengleichheit
In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion heißt es, dass die Begabtenförderung die Chancengerechtigkeit in der Bildung stärkt.8 Tatsächlich muss man sich eine Promotion auf Grundlage eines Stipendiums der Begabtenförderungswerke unter den derzeitigen prekären Bedingungen ‚leisten‘ können. Die geplanten Erhöhungen, die über den Zeitraum von drei Jahren gestreckt sind, ändern dies kaum. Wie bereits geschildert, sind Promotionsstipendiat*innen weiterhin von Armut – sowohl ganz akut als auch im Alter – bedroht. Finanzielle Rücklagen können mit dem Stipendium nicht gebildet werden. Dadurch werden insbesondere Personen strukturell benachteiligt bzw. ausgeschlossen, die über kein finanzielles Sicherheitsnetz verfügen. Bei der Entscheidung für oder gegen ein Promotionsstipendium sind unter den aktuellen Bedingungen außerdem mögliche Schulden aus dem Bachelor- und Masterstudium als schwerwiegend zu bewerten. Der finanzielle Hintergrund darf jedoch kein Hindernis für eine Bewerbung darstellen. Ferner muss unbedingt verhindert werden, dass sich Stipendiat*innen aufgrund eines fehlenden finanziellen Sicherheitsnetzes sowie steigender Lebensunterhaltungskosten zu einem vorzeitigen Abbruch ihrer Promotion gezwungen sehen. Eine Verbesserung der Promotionsbedingungen ist daher aus Gründen der Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit unabdingbar.


  1. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion CDU/CSU, Drucksache 20/7335: Begabtenstipendien und die gestiegenen Lebenshaltungskosten, verfügbar unter: https://dserver.bundestag.de/btd/20/075/2007560.pdf [24.07.2023]. ↩︎
  2. Der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung liegt aktuell bei 14,6 Prozent plus Zusatzbeitrag, der 2023 im Durchschnitt bei 1,6 Prozent lag. Der Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung liegt bei 4 Prozent (Letzteres gilt für Kinderlose, für Menschen mit Kindern liegt der Beitrag zur Pflegeversicherung etwas geringer). Insgesamt liegen die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung damit bei durchschnittlich 20,2 Prozent. Das bedeutet, dass der den Stipendiat*innen real zur Verfügung stehende Mehrbeitrag bei einer Erhöhung um 100 € nur 79,80 €, bei einer Erhöhung von 216 € nur 172,37 € beträgt. Selbst die geforderte sofortige Erhöhung um 300 € würde – sofern sie nicht von einer vollständigen Übernahme der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung begleitet wird – lediglich zu einem Mehrbetrag von 239,40 € für die Stipendiat*innen führen. ↩︎
  3. Statistisches Bundesamt, verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/ Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Lebensbedingungen-Armutsgefaehrdung/Tabellen/armutsschwelle-gefaehrdung-mz-silc.html [24.07.2023]. ↩︎
  4. Die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung von durchschnittlich 20,2 Prozent (siehe Fußnote 2) ergeben auf 1.350 € gerechnet 272,70 €, auf 1.450 € gerechnet 292,90 €. ↩︎
  5. In München lagt die Armutsgefährdungsschwelle bereits im Jahr 2021 beispielsweise bei einem Netto-Einkommen von 1.540 €, siehe Münchner Armutsbericht 2022, verfügbar unter: https://www.muenchen.info
    /soz/pub/pdf/674_SOZ_Muenchner-Armutsbericht-2022_barrierefrei.pdf, S. 19 [10.08.2023]. ↩︎
  6. Die durchschnittliche Promotionsdauer beträgt 5,7 Jahre (ohne Humanmedizin/Gesundheits-wissenschaften), Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2021, S. 30, verfügbar unter: https://www.buwin.de/dateien/buwin-2021.pdf [17.05.2023]. ↩︎
  7. Positionspapier: Ausgestaltung der Promotion im deutschen Wissenschaftssystem, verfügbar unter: https://www.wissenschaftsrat.de/download/2023/1196-23.pdf?__blob=publicationFile&v=15 [08.05.2023]. ↩︎
  8. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion CDU/CSU, Drucksache 20/7335: Begabtenstipendien und die gestiegenen Lebenshaltungskosten, verfügbar unter: https://dserver.bundestag.de/btd/20/075/2007560.pdf [24.07.2023]. ↩︎